Ein schlichtes Juwel

Das Haus «Von Moos» in Malans (GR).

Aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist es, das Haus «von Moos» in Malans. Im 18. Jahrhundert zum stattlichen Gebäude mit Weinpresse ausgebaut, reichen seine Wurzeln ins Mittelalter zurück. 2006 erwarb Alfred R. Sulzer, Ehrenpräsident von Domus Antiqua Helvetica und Vorstandsmitglied von NIKE, den historischen Bau. Mit den Churer Architekten Michael Hemmi und Michele Vassella renovierte er ihn 2007/08 und schuf so einen Vorzeigebau, in dem Vergangenheit und Gegenwart schlicht und begeisternd zusammenfinden.

Das Weinbaudorf Malans liegt im «Garten Graubündens», im Herzen der Bündner Herrschaft. Etwas erhöht über der Talebene des Rheins und vom milden Klima verwöhnt, befindet sich das Dorf an vorzüglicher Lage. Hier führten ehemals die wichtigen Transitrouten des Rheintals durch, und von hier aus gelangte man durch die Klus und über den Fadärastein ins Prättigau. Die Böden aus kalk- und tonhaltiger Erde sind fruchtbar. Seit dem Frühmittelalter ist Malans Ausbaugebiet und Mittelpunkt des Weinbaus. Im intakten Dorf mit dem geschützten Ortsbild trifft man auf zahlreiche repräsentative historische Bauten. Das Haus «von Moos» ist eines davon. Es steht im Oberdorf.

Der zurückhaltende Grosse

Der linke Hausteil mit Torkel stammt aus den Jahren um 1720. Im rechten Hausteil hinter der um 1780 errichteten Arkade mit aufgehenden Geschossen schlummert der spätmittelalterliche Ursprungsbau. (Bild: Guido Baselgia)

Steigt man vom Dorfzentrum her die Nuttgasse hoch, sieht man es links hinter der Gartenmauer: Das Haus «von Moos», ein stattlicher, dreigeschossiger Steinbau mit steilem Satteldach. Trotz seiner Grösse nimmt es sich mit seiner langgestreckten Form und dem zarten Naturton zurück. Zur Schermengasse hin bildet es mit dem angebauten Stall und einem weiteren Doppelhaus eine gassenbündige Häuserzeile. Die von der Gasse abgewandte Hausseite mit der Hauptfassade öffnet sich auf einen prächtigen Obstgarten mit Blick in Richtung Dorfkern, Tal und Berge. Im Kern geht das Haus ins Spätmittelalter zurück. Aus dieser Zeit überdauerten im Nordostbereich des Gebäudes der Gewölbekeller samt aufgehendem Mauerwerk. Der westliche Hausteil wurde um 1720 errichtet: Im ebenerdigen Geschoss und vom Garten her erschlossen, legte man einen Torkel an. In diesem hohen, überwölbten Raum mit kräftigem Mittelpfeiler wurde Wein gepresst. Darüber errichtete man zwei weitere, jeweils durch einen Korridor vom Ursprungsbau getrennte Geschosse. Um 1780 erweiterte man den Ursprungsbau talseitig und vereinte alles unter einem neuen Dach. Es entstand der heutige, kompakte Baukörper.

Wach geküsst

Als früherer Hausbesitzer wird Pfarrer Christian von Moos (1715–1782) genannt. Durch Erbschaft gelangte das Haus 1857 an die Familie Rüedi. In deren Eigentum blieb es, bis es 2006 von Alfred R. Sulzer erworben wurde. Damals war es in stark renovationsbedürftigem Zustand. Sulzer, während über zwanzig Jahren bei Domus Antiqua Helvetica engagiert und Initiant und Umsetzer vieler erfolgreicher Renovationen von historischen Gebäuden, erkannte das schlummernde Potenzial. Und dank seinem Engagement und seiner grossen Erfahrung wurde eine subtile Renovation möglich: In Zusammenarbeit mit den Architekten Michael Hemmi und Michele Vassella entstand ein begeisterndes Wohnhaus, in dem sich Baugeschichte und zeitgenössische Interventionen in einer respektvollen Selbstverständlichkeit begegnen.

Seitenkorridor im 1. Obergeschoss mit Blick in eines der Badezimmer. Die Mauern gehören teilweise zum Ursprungsbau aus dem Spätmittelalter. Die Wand- und Deckentäfer wurden um 1720 eingebracht, die Holzböden 1902. (Bild: Guido Baselgia)

Bauliche Eingriffe wurden möglichst gering gehalten und das gewachsene Bauvolumen mit entsprechender Grundrissstruktur beibehalten: Weiterhin betritt man das Haus durch den zur Schermengasse hin ausgerichteten Haupteingang. Es öffnet sich der breite, quer zum First ausgerichtete Korridor. Über diesen sind die beidseits angelegten Räume erschlossen. Die Stuben orientieren sich zum Tal hin. Strassenseitig befinden sich Küche, Toiletten, Speisekammer und Waschküche. Im Obergeschoss gliedern sich um den Mittelkorridor Schlafkammern und Badezimmer. Mit der Originalsubstanz ging man überaus sorgsam um: Ursprüngliches Täfer wurde restauriert, falls nötig ergänzt und selten farblich angepasst.

Das Badezimmer im 1. Obergeschoss. Die zeitgenössische Duschkabine und das Spülbecken kontrastieren raffiniert mit dem sanft renovierten historischen Bau. Das Täfer wurde um 1720 eingebracht. (Bild: Francesca Giovanelli)

Primäre Fenster und Türen beliess man oder erneuerte sie allenfalls im Stil des Originals. Vereinzelt, und nur falls es die Nutzung erforderte, wurden neue Fensteröffnungen eingebracht. Die Küche, die vor der Restaurierung gänzlich verrusst war, erhielt einen weissen Putz. Den geschwärzten Unterzug, die Durchreiche und den Natursteinboden beliess man. Die zeitgenössischen, formklaren Kücheneinrichtungen und die Feuerstelle aus Edelstahl ergänzen die historische Bausubstanz dezent. In den Badezimmern setzen die freistehende Wanne und die opake, spiralförmige Duschkabine moderne, aber leise Designakzente im historischen Raum. Auch der Torkel erfreut durch das feine Spiel zwischen Alt und Neu: Der prägnante Raum erhielt eine schlichte Treppe und einen Kamin aus Stahl.

Der Torkel im Gartengeschoss. Der hohe, gewölbte Raum von 1720 wird durch den Kamin aus Stahl von 2007/08 schlicht und modern akzentuiert. Ehemals Ort der Weinherstellung wird der Raum heute für Veranstaltungen genutzt. (Bild: Francesca Giovanelli)

Mit der Renovation ist es gelungen, den historischen Bestand weitgehend zu erhalten und durch subtile architektonische Interventionen glücklich in die Gegenwart zu führen: Alt und Neu ergänzen sich zu einem selbst tragenden Ganzen, in dem die Baugeschichte lebendig bleibt und zeitgemässe Nutzung ermöglicht wird. Ein Juwel ist es geworden, ein schlichtes; eines, das sich der Bauherr im wahrsten Sinne des Wortes angeeignet hat.